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Ein Friedhof voller Geschichte (Teil 2)





In schlechtem Zustand: Diese Parkbank ist schon lange nicht mehr benutzt worden


Denn der heutige jüdische Friedhof ist erst 1891 entstanden. Der ältere lag im Gadderbaumer Tal, nahe des heutigen Ostwestfalen-Damms. Er wurde 1663 das erste Mal erwähnt, jüdische Bürger gab es in Bielefeld schon seit dem 14. Jahrhundert. Ihre Zahl war allerdings zu Beginn sehr klein. Noch für 1691 werden nur fünf jüdische Familien erwähnt – bei einer Einwohnerzahl von rund 3.500. Da Bielefeld im 19. Jahrhundert rasant wuchs, wurde auch die jüdische Gemeinde rasch größer. Der alte Friedhof platzte aus allen Nähten – in der Not gab es sogar Bestattungen auf dem Johannesfriedhof, auf dem Christen ihre letzte Ruhe fanden. Es dauerte zehn Jahre, bis ein neuer Friedhof genehmigt wurde: 1891 wurde er dann eröffnet. Der alte Friedhof bestand aber weiter, erst 1953 wurde er aufgelöst und in der Folge bebaut. Heute erinnert nichts mehr an ihn – genauso wenig an den jüdischen Friedhof, den es bis Ende des 19. Jahrhunderts in Schildesche gab.

Der neue Friedhof wurde in den 1970er Jahren verkleinert: Damals entstand der Ostwestfalen-Damm, die Stadt kaufte 1.700 Quadratmeter der Friedhofsfläche. Die Gräber wurden umgebettet. Bis ins Jahr 2000 kümmerte sich die städtische Friedhofsverwaltung im Auftrag der jüdischen Gemeinde um die Anlage. Sie ging dabei allerdings nicht besonders sensibel vor: So befestigte an zahlreichen Grabsteinen die typischen Hinweisschilder: Vorsicht, dieser Grabstein wackelt. Bitte befestigen! Dabei gab es kaum noch Angehörige, viele waren im Holocaust umgekommen oder aus Deutschland geflohen. Erst seit die jüdische Kultusgemeinde, die inzwischen wieder auf rund 170 Mitglieder angewachsen ist, den Friedhof wieder selbst verwaltet, sind die Schilder sind verschwunden.


Eiserne Kreuze für die Anerkennung

Viel Geschichte lässt sich an den Grabsteinen ablesen. Angefangen damit, dass die preußische Verwaltung Nachnamen durchsetzte, so dass sich die jüdischen Menschen solche erfinden mussten – etwas, das sie vorab gar nicht kannten. Geschichte ist auch sichtbar, wenn nach und nach die Inschriften vom Hebräischen ins Deutsche wechselten. Oder Dolche und Eiserne Kreuze, die die Grabsteine zieren: Sie zeigen, dass hier nicht nur ein Jude, sondern zudem auch ein ehrenwerter Deutscher begraben ist. Es war die Zeit des ersten Weltkriegs, wo viele Juden für ihr Vaterland in den Krieg zogen – auch ein Akt, um Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft zu demonstrieren.

Einige Gräber zeigen das Todesdatum 1942, vor den Deportationen gab es Selbstmorde. Und wenige von denen, die in Vernichtungslagern ermordet wurden, erhielten anschließend eine Grabstätte, auf der – soweit bekannt – ihr Todesdatum und das Lager, in dem sie ermordet wurden, vermerkt sind. Ihre Körper konnten hier nicht mehr bestattet werden. Nach einer Recherche der Stadtarchivarin Monika Minninger sind 544 Mitglieder der Bielefelder jüdischen Gemeinde von den Nationalsozialisten ermordet worden.

Wer über den Friedhof wandert, sieht auch prominente Namen: So der der Familie Moosberg. Bernhard Moosberg war ein angesehener Orthopäde – der sich einen Namen mit Prothesen für Opfer des ersten Weltkriegs machte. Er floh 1938 – sein Haus gegenüber der Kunsthalle diente den Nationalsozialisten noch als Sammelpunkt von Juden für die Transporte in die Lager.





Unter dem Todesdatum steht: Gestorben im KZ Theresienstadt