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Eine Geschichte voller Vertuschungen (28.09.2005)





Sebastian Pflugbeil: Die Bundesregierung bastelt an der Teilhabe an Atomwaffen


Von Manfred Horn

Ist der Umweltminister a.D. Sebastian Pflugbeil Opfer seiner eigenen Verschwörungstheorie? Wohl kaum. Dennoch kann es sein, dass er hier und da, vor allem aber bei seiner Medienkritik, zuspitzt, um überhaupt gehört zu werden. Denn bei seinem Vortrag am Donnerstag im Murnau-Saal der Ravensberger Spinnerei macht er deutlich, was er von dem Buch ›Hitlers Bombe‹ hält: viel. Der Physiker Pflugbeil, einer der Mitbegründer des ›Neuen Forums‹ in der auslaufenden DDR und in der kurzen Phase der letzten Regierung 1990 Umweltminister, ist ein profunder Kenner atomarer Umtriebe.

Als Rainer Karlsch Anfang 2005 sein Buch ›Hitlers Bombe‹ veröffentlichte, wurde sein Werk breit rezensiert. Pflugbeil nun, der in Bielefeld auf Einladung der Bielefelder Sektion der IPPNV (Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) sprach, pickte sich all die abfälligen öffentlichen Äußerungen dazu heraus. In der Summe kämen die Medien zu dem Schluss: Ein letzter Beweis für Hitlers Bombe fehle. Dass gerade ein derartig geschichtsklitterndes Format wie ›ZDF History‹ das Thema mit offenen Kameras empfing und sogar Physiker beauftragte, auf Rügen nach Spuren einer atomaren Kettenreaktion zu suchen, erwähnt Pflugbeil nicht.

Pflugbeil weiß, dass es eine Nazi-Bombe vergleichbar mit der, die die USA 1945 dann zweimal über Japan abwarfen, nicht gegeben hat. Aber darum geht es eigentlich auch gar nicht. Denn, und das weißt Pflugbeil in seinem Vortrag nach, auch der Versuch und der Test am lebenden Menschen zählt. Und an Hand zahlreicher Quellen belegt Pflugbeil, dass Wissenschaftler im Nazi-Reich bis zur letzten Minute an der Atombombe gearbeitet haben – und dabei in Tests bereits Kernenergie freigesetzt hatten. Dabei stützt er sich eben auch auf das Buch von Karlsch, der erstmals Einblick in das Archiv des russischen Militärgeheimdienstes nehmen konnte und so einige der Atom-Ereignisse in der ersten Hälfte der 1940er Jahre im Deutschen Reich besser belegen konnte.


Die Macht der Bombe

Pflugbeil kratzt zunächst am weit verbreiteten positiven Image von Carl Friedrich von Weizäcker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg. Die beiden berühmten Physiker, so geht die Legende, hätten noch rechtzeitig mit der Entwicklung einer Atombombe aufgehört, weil sie das gefährliche Potenzial von Adolf Hitler erkannt haben wollen. Pflugbeil stellt dem ein Zitat aus einem Buch von Carl-Friedrich-Weizäcker selbst entgegen. 1988 schreibt der in ›Bewusstseinswandel‹: »Die Bombe als technischer Anreiz hat mich überhaupt nicht interessiert. Was mich faszinierte, war, damit an einen Schalthebel politischen Einflusses zu kommen«. Von Weizäcker – der nach dem Krieg in der jungen Bundesrepublik genauso wie Heisenberg die sogenannte ›Göttinger Erklärung‹ unterschrieb, in der die Herstellung, Erprobung und der Einsatz von Atomwaffen rundherum abgelehnt wird – sei da wohl äußerst naiv mit der politischen Situation umgegangen, urteilt Pflugbeil. »So ein Spiel ist abenteuerlich.«

Pflugbeil wundert sich auch, warum 1941 von Weizäcker fünf Patente anmeldete, die die Gewinnung von Energie durch Plutonium beinhalten. Zwei Schlussfolgerungen zieht Pflugbeil: Zum einen habe von Weizäcker schon 1941 gewusst, wie man auf einem eleganten Weg zu Atomwaffen kommt. Und dies im deutlichen Unterschied zu den us-amerikanischen Forschungen, die zu dieser Zeit noch mit Uranium experimentierten und dabei auf ziemliche Schwierigkeiten stießen. Zum zweiten sei Weizäcker wohl durchaus geschäftstüchtig gewesen.