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Eine Geschichte voller Vertuschungen (Teil 3)



Der Fall-Out atmosphärischer Tests, vor allem bis 1962 von den Atommächten praktiziert, hat auch Deutschland getroffen. Genaue Zahlen darüber, wie viele Opfer die Fall-Out kosteten und noch kosten werden, gibt es nicht. Pflugbeil geht aber alleine von 110.000 zusätzlichen Pränataltoten – Kinder, die bei der Geburt oder bis eine Woche danach sterben – aus. Über zwei Millionen Menschen könnten auf der Nordhalbkugel durch die Tests gestorben sein oder noch an den Folgen sterben. 1996 urteilte der Internationale Gerichtshof, dass die Bedrohung mit Atomwaffen im Widerspruch vor allem zum Völkerrecht stehe. Heidemarie Wieczorek-Zeul, ab 1998 dann SPD-Ministerin, sprach damals davon, alle Atomwaffen weltweit zu ächten. Der heutige SPD-Generalsekretär Franz Müntefering erklärte, eine Politik der nuklearen Teilhabe sei nicht zulässig.


Europäische Nuklearstreitkräfte mit Deutschland

Deutschland stimmte nicht nur am 10. Dezember 1996 in der UN-Vollversammlung gegen die Annahme der Schlussfolgerungen des Internationalen Gerichtshofs, es plane auch im Rahmen europäischer Streitkräfte eben genau jene Teilhabe an Atomwaffen, die zur Zeit Frankreich und Großbritannien besitzen. Dafür zieht Pflugbeil einige Protokolle von Tagungen von Streitkräften heran. Credo: Es müsse vergemeinschaftete Nuklearstreitkräfte für eine erhöhte Sicherheit geben – unter Berücksichtigung des Schwergewichts Deutschland. Diese europäische Streitmacht im Aufbau werde im Notfall von der Europäischen Kommission dirigiert. »Die europäische Verfassung haben wir wohl von der Backe, nicht aber die europäischen Streitkräfte«, ist Pflugbeil besorgt. Vor zwanzig Jahren hätte es noch einen Aufschrei gegeben, wenn Deutschland sich an Atomwaffen beteiligt hätte. Heute kümmert sich kaum jemand um die ernstzunehmenden Planspiele. Und von den Politikern, die sich 1996 nach dem Urteil des Internationalen Gerichtshofs äußerten, seien heute auch keine kritischen Äußerungen zu Atomwaffen mehr zu vernehmen.

Dazu passt, dass das Kriegswaffenkontrollgesetz bereits 1990 geändert wurde. Es gibt seitdem einen neuen Paragraphen 16, der besagt, dass NATO-Staaten für den Eigengebrauch und für andere NATO-Staaten sehr wohl Atomwaffen herstellen dürfen. Pflugbeil vermutet, dass mit der damaligen Gesetzesänderung auch Atomversuche in der BRD nachträglich legitimiert werden sollen. So haben er und andere Physiker herausgefunden, dass die stark gehäuften Leukämie-Fälle rund um das Atomkraftwerk Krümmel wohl weniger auf das AKW denn vielmehr auf Nachkriegs-Atom-Experimente in der Gegend zurückzuführen sind. Noch heute ließen sich mit einem einfachen Teesieb Partikel aus der Erde holen, die aus Transuran und anderem Hochgefährlichen bestünden. Nach dem Krieg waren diese kleinen Kugeln Spielmaterial für Kerntechniker, unter anderem für Kurt Diebner, der schon für die Nazis eine zündende Rolle spielte. Die haben diese Minipillen mit Laser beschossen, unter Stress gesetzt und so praktisch Mikro-Atombomben gezündet, sagt Pflugbeil. Bis heute werde allerdings versucht, dies zu vertuschen.