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Abschiebung ins Elend gescheitert (19.10.2005)



Am vergangenen Donnerstag sollte die erste nach Bielefeld geflüchtete Ashkali-Familie in den Kosovo abgeschoben werden. Als sie abgeholt werden sollte, war die Familie jedoch nicht in ihrer Wohnung. Unterdessen tauchte ein nichtöffentlicher Bericht einer Delegation der Stadt Münster auf, die im Juni die Provinz besuchte. Die kam zu dem Schluss, dass Angehörige von Minderheiten dort immer noch nicht sicher unter menschenwürdigen Bedingungen leben können.

Von Mario A. Sarcletti

Eigentlich hätte Familie H. (Name geändert) am vergangenen Donnerstag um 5.30 Uhr mit gepackten Koffern auf ihre Abschiebung warten müssen. Dann wären Vater, Mutter und drei Kinder abgeholt und zum Flughafen Düsseldorf gebracht worden. Von dort werden jeden zweiten Donnerstag Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Pristina abgeschoben.

Aber die Familie, die seit fünfzehn Jahren in Deutschland lebt, wartete nicht brav auf ihre Abschiebung. »Sie war seit Mittwoch nicht in der Wohnung. Mutter und Kinder sind inzwischen zwar wieder zurückgekehrt, der Vater ist aber immer noch untergetaucht«, berichtet ein Mitglied des Bielefelder Flüchtlingsrates, der die Familie seit Jahren betreut. Auch einen Termin bei der Ausländerbehörde habe die - nach Angaben des Flüchtlingsrates sehr gut integrierte - Familie aus Angst vor der Verhaftung nicht wahrgenommen. »Der Sohn hat uns erzählt, dass daraufhin Herr D. von der Ausländerbehörde im Halbstundentakt bei ihm angerufen hat und auch zwei Mal an der Wohnung aufgetaucht ist«, berichtet der Flüchtlingsrat weiter. Der 21-jährige Sohn ist mit einer Deutschen verheiratet und besitzt eine Aufenthaltserlaubnis.

»Die Frau ist sehr, sehr krank«, erklärt Beate Niemeyer, PDS-Ratsfrau und Mitglied des Flüchtlingsrates, einen der Gründe, die für sie eindeutig gegen die Abschiebung sprechen. Dies wisse auch die Ausländerbehörde, die der Frau deshalb erlaubt habe, Medikamente für ein halbes Jahr mitzunehmen. Tatsächlich attestierte eine Kardiologin der 44-jährigen H. eine koronare Herzerkrankung, die regelmäßige Untersuchungen erforderten. »Die Patientin könnte bei fehlender Behandlung und unregelmäßiger kardiologischer Kontrolle einen Herzinfarkt erleiden«, heißt es in dem Gutachten, das dem WebWecker vorliegt.

Zudem leidet die Frau an Depressionen und einer »Angststörung mit Somatisierungstendenzen«, weshalb sie an einen Psychiater überwiesen wurde. Ein Mediziner des Gesundheitsamtes will jedoch von einer Herzerkrankung nichts wissen, hält sie – anders als seine Kollegin - für reisefähig. Gegen Flugangst empfiehlt er medikamentöse Behandlung.

Dass die erforderliche medizinische Versorgung im Kosovo eine Illusion ist, stellte auch eine Delegation der Stadt Münster fest, die Anfang Juni die Provinz besuchte. Im Auftrag des Innenministeriums sollte sie untersuchen, inwieweit eine freiwillige Rückkehr von Angehörigen der Minderheiten möglich ist. »Alle Recherchen sollen öffentlich gemacht werden«, heißt es in dem Bericht der Delegation. Doch gleich auf der ersten Seite steht: »Nichtöffentlicher Bericht«. Offensichtlich passen die Erkenntnisse der Delegation mit Mitgliedern der Arbeiterwohlfahrt nicht zur Abschiebepraxis, die die Innenminister Ende Juni beschlossen haben.

Denn sowohl die Sicherheitslage im Kosovo als auch die wirtschaftliche Situation sind besorgniserregend. So konnte nicht einmal die Delegation Kosova-Mitrovica besuchen, »da die Lage dort sehr instabil ist«, wie es in dem Bericht heißt. In Djakovica fühlten sich Roma und Ashkali unsicher, sobald sie ihr Viertel, es besteht nur aus einer Straße, verlassen. »Oft kommt es zu Übergriffen seitens der Albaner«, hat die Delegation herausgefunden. »Sie werden körperlich bedroht, zum Teil mit ihrem Leben, und gezwungen in ihrem »Viertel« zu bleiben«, heißt es in dem Bericht weiter.