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Zufallsgenerator bei Asylanhörung (26.10.2005)





Diskutieren kontrovers über die Anerkennung von Flüchtlingen: (v.l.n.r.) Bernd Mesovic, Jörg List, Andrea Genten, Angelika Claußen und Joachim Köhn





»Trotz Folter kein Asyl?« Dieser Frage gingen am Donnerstag Experten im Rathaus nach. Neben dem Prozedere bei der Anhörung von Flüchtlingen ging es bei der Podiumsdiskussion auch um die Frage, ob Flüchtlinge mit einem Posttraumatischen Belastungssyndrom abgeschoben werden können. Die Vertreter des Staates meinten ja, Fachleute aus der Flüchtlingshilfe sind dagegen.



Von Mario A. Sarcletti

Schon beim Pressegespräch im Vorfeld der Veranstaltung im Ratssaal am vergangenen Donnerstag zeigte sich, dass an diesem Abend sehr unterschiedliche Standpunkte aufeinander prallen würden. Auf der einen Seite kritisierte Bernd Mesovic von Pro Asyl, dass die Anerkennungsquote von Asylbewerbern einen historischen Tiefststand erreicht habe. Da zudem die Zahl der Asylanträge aufgrund der Abschottungspolitik Europas stark zurückgegangen sind, beschäftigten sich die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zunehmend damit, Asylbescheide zu widerrufen. 3000 Anerkennungen standen im vergangenen Jahr 15.000 Widerrufsverfahren gegenüber, betroffen hiervon sind unter anderem Flüchtlinge aus dem Irak oder Afghanistan.

Die andere Seite vertrat Jörg List, Beauftragter für Zuwanderung und Integration der Bezirksregierung in Detmold. Er beaufsichtigt die Ausländerbehörden im Regierungsbezirk. »Die wenigsten kommen deshalb hierher, weil sie politisch verfolgt sind«, stellte List fest. Die von Flüchtlingsinitiativen kritisierten Kettenduldungen beträfen Migranten, die ihre Identität verschleierten, behauptete List. Allerdings sind auch Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, etwa aus dem Kosovo von ihnen betroffen. Sie erhalten nur Abschiebeschutz für drei bis sechs Monate, leben deshalb in ständiger Angst vor Abschiebung.

Zu Beginn der erstaunlich gut besuchten Podiumsdiskussion, knapp einhundert Interessierte waren der Einladung gefolgt, führte Moderatorin Andrea Genten vom nordrhein-westfälischen Flüchtlingsrat in das Thema ein. »In über 150 Ländern wird gefoltert, auch in Ländern die sich als demokratisch verstehen«, erklärte Genten. Ächtung der Folter müsse auch heißen, die Opfer zu schützen. »Sie werden aber durch unser Asylrecht nicht geschützt, meist erhalten sie nur Abschiebeschutz«, kritisierte sie. Das bedeute Kettenduldung und die spätere Abschiebung in Folterländer.

Dem widersprach Joachim Köhn, neuer Leiter der Bielefelder Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BaMFl). »Der Nachweis der Folter führt zwingend zur Anerkennung«, behauptete er. Später musste er jedoch einräumen, dass dies im Falle der Türkei nicht ganz richtig sei. »Wegen der Demokratisierung dort ist eine Wiederholung der Folter nicht zu erwarten«, erläuterte Köhn. Andrea Genten wies darauf hin, dass die Behörden Folter häufig als Belästigung werteten. »Eine gewisse Intensität muss schon sein«, beschrieb Joachim Köhn daraufhin den Bewertungsmaßstab seiner Behörde. Exzesse einzelner Beamter im Herkunftsland würden noch nicht als Folter gewertet, die müsse systematisch sein.

Die Psychiaterin Angelika Claußen, beschrieb den Fall eines Folteropfers, dem das Bundesamt die Torturen nicht glauben wollte. Die 23-jährige aus der Türkei ist Patientin in Claußens Praxis, nachdem sie 2002 aus ihrer Heimat geflohen war. Zuvor war sie als Anhängerin der kurdischen Hadep-Partei mehrfach verhaftet, gefoltert und vergewaltigt worden. Bei der Erstbefragung durch das Bundesamt habe sie von der Folter berichtet, die Vergewaltigung allerdings nur angedeutet. Nachfragen von Seiten des Beamten habe es kaum gegeben. Schließlich sei die junge Frau als nicht glaubwürdig bewertet worden, der Asylantrag wurde abgelehnt.