Webwecker Bielefeld: zufall03

Zufallsgenerator bei Asylanhörung (Teil 3)



Spreu vom Weizen trennen

Auch Jörg List findet, dass der Begriff inflationär verwandt wird, meint damit aber die Zahl der an PTBS Erkrankten. »Umgekehrt proportional zur Befriedung des Kosovo steigt die Zahl von PTBS«, sagte er in Anlehnung an ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Düsseldorf. »Für viele Ausländerbehörden ist das ein Reizwort geworden«, klagt List über das »Massenphänomen«. Die Krankheit, die für ihn kein Abschiebehindernis bedeutet, sei für die Betroffenen zwar schlimm, viele würden sie aber vortäuschen. »Da war die Schwierigkeit die Spreu vom Weizen zu trennen«, sagte List. Durch das Düsseldorfer Urteil habe das Wort PTBS aber »seinen Schrecken für die Ausländerbehörden« verloren.

Bernd Mesovic sieht das Urteil anders. »Am liebsten würde ich Teile des Urteils des OVG hier im Stadttheater vorlesen lassen«, sagte er. Tatsächlich enthält das Urteil vom Dezember vergangenen Jahres, das einer nachweislich an PTBS erkrankten Frau aus dem Kosovo den Abschiebeschutz verwehrte, einige skurrile Passagen. So wissen die Richter Lau, Anlauf und Pentermann die Frau habe »nicht etwa Gefahren wegen … allgemeiner Versorgungsnot oder Ähnlichem« zu befürchten«. Das UNHCR, die Schweizerische Flüchtlingshilfe und eine Delegation der Stadt Münster (WebWecker berichtete) kamen vor Ort zu ganz anderen Ergebnissen. Die Pogrome vom März gegen Roma, Ashkali und Serben vom März 2004 nennen die Richter »Auseinandersetzungen zwischen Volksgruppen«.

»Abschiebungsschutz nach §53 Abs.6 AuslG soll dem Ausländer nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern von gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren«, entscheiden die Richter. »Im Übrigen leuchtet nicht ein, weshalb einem traumatisierten Ausländer nicht zugemutet werden dürfe, das Schicksal seiner in der Heimat verbliebenen ebenfalls traumatisierten Landsleute zu teilen«, finden die drei Juristen.

Sie sind auch der Meinung, dass die PTBS im Kosovo ausreichend behandelt werden kann. Ein Fachmann kommt zu einem anderen Schluss. Wie das Deutsche Ärzteblatt in einem ausführlichen Bericht über die Problematik sechs Tage vor dem Urteil berichtete, besuchte der Psychologische Psychotherapeut beim Berliner Behandlungszentrum für Folteropfer, Ralf Weber, mit sieben Kollegen medizinische Einrichtungen in Serbien und Kosovo. »Nach Webers Einschätzung können traumatisierte Patienten in ihrer kosovarischen Heimat und in Serbien überhaupt nicht versorgt werden«, schreibt das Ärzteblatt. »Das Gesundheitssystem werde auf Jahre hinaus nicht in der Lage sein, der adäquaten Behandlung psychisch Kranker nachzukommen«, zitiert das Blatt den Experten. Behandlungsbedürftige Rückkehrer stellten zudem eine zusätzliche Belastung für das überforderte Gesundheitssystem dar. Im Kosovo gebe es schon jetzt 400.000 bis 500.000 traumatisierte Patienten.

»Das OVG hat Maßstäbe gesetzt. Selbst wenn eine PTBS vorliegt, ist das kein Abschiebehindernis«, erklärte im Rathaus Jörg List seine Einschätzung des Urteils. Zudem sei auffällig, dass viele eine PTBS erst angeben würden, wenn sie ausreisen sollten. Bernd Mesovic wundert das nicht, er verweist darauf, dass auch Vietnam-Veteranen erst Jahre später über ihre psychischen Störungen sprechen konnten. Jörg List glaubt aber, dass die PTBS oft vorgetäuscht ist. »Es gibt Menschen, die lügen«, sagte er. Der Staat habe auch eine Verpflichtung, »dass Menschen , die hier nicht sein dürfen, nicht hier sind«.

Seine Aussagen brachten einige Zuhörer in Rage. »Mir ist das hier zu medizinisch«, kritisierte eine ältere Dame. »Die Menschen haben Angst, das muss doch reichen. Wir können die nicht dahin schicken, wo sie Angst haben«, findet sie. Die Juristen und Ausländerbehörden sehen das anders.