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Gesundheit als Ware (09.11.2005)





Johannes Kramer, Geschäftsführer der Städtischen Kliniken: »Wir haben kein Problem, gute Leute zu kriegen«



Von Manfred Horn

Die Städtischen Kliniken mit ihrem Klinikum in Mitte und in Brackwede-Rosenhöhe sind einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Knapp 2.000 Menschen sind dort beschäftigt. Beide Kliniken sind seit 1997 in einer gemeinnützigen GmbH zusammengeschlossen, alleiniger Gesellschafter ist die Stadt Bielefeld. Dabei stehen die städtischen Kliniken wie die anderen Kliniken in Deutschland in schwierigen Zeiten. Die medizinische Versorgung gerät zunehmend unter das Diktat wirtschaftlicher Zwänge.

Am vergangenen Donnerstag war Johannes Kramer, Geschäftsführer der Kliniken, zu Gast beim Evangelischen Arbeitskreis für Sozialfragen. Er wies darauf hin, dass es von der Stadt Bielefeld keinen Defizitausgleich für die beiden Krankenhäuser gebe. »Seit 1993 gibt es Druck, effizienter zu arbeiten«, betonte Kramer mit Rückblick auf die damals vom Gesetzgeber umgestellte Finanzierung. Leistungsorientierte Vergütung hieß das Schlagwort, unter dem seit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) 1993 die Finanzierung der Krankenhäuser grundlegend neu gestaltet worden ist. Die Kliniken sollten sich verstärkt dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb stellen.

Es gebe keine andere Branche, die sich so schnell umgestellt habe, betont Kramer. Doch das Sparmodell sei für die Zukunft so nicht durchhaltbar: Es gebe weitere Einsparpotenziale. Doch um die auszuloten, brauche man Zeit. Zudem seien die Kosten nicht unendlich zu reduzieren. Der Spardruck hat im wesentlichen zwei Wirkungen: Die Versorgung der Patienten wird eingeschränkt. Und bei den Mitarbeitern wird gespart. So sind auch in den Städtischen Kliniken Pflegekräfte »ausgedünnt« worden.


Mangel an nachstationärer Versorgung

So werden Patienten heute entlassen, wenn sie als medizinisch ausbehandelt gelten. Im Vergleich zu früher hat sich die Verweildauer erheblich reduziert. Denn früher wurde auch die soziale Situation der Patienten mit berücksichtigt. Der hauseigene Sozialdienst prüfte: Kann sich der Patient zu Hause nachstationär versorgen. »Das dreht sich jetzt«, stellt Kramer fest. Und bemängelt zugleich, dass es an nachstationären Angeboten noch mangele: »Die ambulanten Dienste sind noch nicht ausreichend auf die Situation eingestellt«. Die Krankenhäuser bieten also nicht mehr ein komplettes Versorgungspaket an. Zudem wird der zunehmende Wettbewerb für Spezialisierungen der Häuser sorgen.

In den Städten wird es dann ausreichend Angebote geben, was auf dem Land passiert ist aber fraglich. Wie ernst die Situation ist, wurde in der Region zuletzt am Krankenhaus in Rheda-Wiedenbrück deutlich: Im Mai musste es Insolvenz anmelden. Nach langen Wochen der Ungewissheit wurde es im Juli allerdings in abgespeckter Form von den Städtischen Kliniken Gütersloh übernommen. Ganze Landstriche können künftig nicht nur unter Hausärtze-, sondern auch unter Krankenhausmangel leiden, einfach weil die Praxen und Häuser nicht mehr rentabel zu führen sind.

Eine weitere Problematik sind die Kosten für das Personal: Die machen im Gesundheitsbereich oft zwei Drittel der Kosten aus. Zwar wird in Gesundheitseinrichtungen gerne und viel von Qualitätsmanagement geredet, das Personal gerät aber schon seit Jahren unter Druck: Immer weniger Mitarbeiter müssen immer mehr leisten. Die Krankenhäuser reagieren auch, indem sie Niedriglohngruppen einführen: Die gibt es nicht nur in den städtischen Kliniken, sondern auch in den von Bodelschwingschen Anstalten und im Johanneswerk – folglich auch in dem aus einer Fusion der beiden Träger gegründeten Evangelischen Krankenhauses.