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Organisierte Selbsthilfe (Teil 2)





Karin Böllert: Zu Beginn galt Staatsknete in der Selbsthilfebewegung als »Bääh«.



Die Entwicklung der Selbsthilfegruppen ist eine rasante: Sowohl was die Mitgliederzahlen angeht – in Bielefeld sind rund 3.000 Menschen in 250 Selbsthilfegruppen organisiert – aber auch im politischen Sinn: Während die ersten Gruppen Ende der 1970er Jahre noch darüber nachdachten, wie der – damals noch reichlicher vorhandene – Sozialstaat durch Eigeninitiative zu ersetzen sei, gibt es heute eher Gruppen, »die versuchen, den Sozialstaat zu retten«, wie Karin Böllert von der Westfälischen Wilhelmsuniversität in Münster bei der Fachtagung betonte. Selbsthilfe ist wichtig, sie darf und kann allerdings den Sozialstaat nicht ersetzen. Ein Mitglied einer Prostatakrebs-Selbsthilfegruppe formulierte es auf dem Fachtag so: »Wenn die Politik von Zuwendungen spricht, halte ich das für ein bißchen großzügig«. Er hat wie viele Angst, dass die Schwächeren auf der Strecke bleiben. Mangelnden Sozialstaat könne dann auch die beste Selbsthilfe nicht auffangen, zumal es diese nicht zum Nulltarif gebe. Schließlich will auch die Selbsthilfe organisiert sein, dass kostet von viel Zeit, ist verbunden mit Kommunikations- und Materialkosten.

Die Stärke der Selbsthilfegruppen besteht darin, dass sie eine wichtige Ergänzung zu den Leitungen der Anbieter im Gesundheits- und Sozialbereich sind. Selbsthilfegruppen leisten das, was die Anbieter der gesundheitlichen und sozialen Versorgung häufig nicht leisten können oder wollen, so zum Beispiel Fragen der konkreten Alltagsbewältigung und psychosozialer Folgen chronischer Erkrankungen. Oder sie bieten die Möglichkeit, sich zu medizinischen Behandlungsformen auszutauschen.


Carmen Thomas benannte erste Anlaufstelle

Schon zu Beginn ahnte man, dass Selbsthilfe – anders als es der Name verspricht – nicht von alleine funktioniert, sondern dass zu ihrem Gelingen oft vielfältige Hilfen notwendig sind. Carmen Thomas erklärte am Ende ihrer Sendung im Januar 1979 den Psychologischen Beratungsdienst zur ersten Anlaufstelle für Selbsthilfegruppen in Bielefeld. In der Folge kam es zu einem Gründungsboom von Gruppen und zahlreichen Anfragen von Einzelpersonen. »Da die eigentliche Ausrichtung des Psychologischen Beratungsdienstes – nomen est omen – in der psychologischen Beratung liegt, kam es im Laufe der Zeit dazu, dass die Selbsthilfeunterstützung nur noch am Rande der eigentlichen Arbeit geleistet werden konnte«, blickt Christa Steinhoff-Kemper, Mitarbeiterin der Bikis, zurück.

Anfang der 80er Jahre dann gründete der Gesundheitsladen eine Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen, doch die Arbeit wurde zu viel. Der ›Paritätische Wohlfahrtsverband‹, damals noch ›Deutscher Parititätischer Wohlverbandsverband‹ trat dann auf den Plan: Er entwickelte zusammmen mit dem Gesundheitsladen und dem Psychologischen Beratungsdienst den Plan, einen Trägerverein zur Koordinierung der Selbsthilfe in Bielefeld zu gründen – 1985 dann wurde die Bikis aus der Taufe gehoben.

Ab 1986 gab es eigene Räumlichkeiten, eine Mitarbeiterin mit zunächst einer halben Stelle wurde eingestellt. Die Entwicklung in den kommenden Jahren war rasant: Schon 1987 beteiligten sich die Bikis und 25 Selbsthilfegruppen an den ersten Bielefelder Gesundheitstagen. Ab 1987 wurden regelmäßig circa 20 Selbsthilfegruppen-Gründungen jährlich durch die Bikis unterstützt. Unsicher war in den Anfangsjahren die Finanzierung: Schon 1989 reichten die Zuschüsse der Stadt nicht mehr aus. Die Geschäftsführung der BIKIS wurde in dieser Zeit von einem ehrenamtlich tätigen Vorstand geleistet, der mit großem Engagement die Sicherung und Weiterentwicklung der BIKIS möglich machte.