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Reflexive Schleifen über den Faschismus (22.02.2006)





Ute Sauer (links) und Luise Orynczak entdecken auch heute noch Neues in der Ausstellung




Von Manfred Horn

»Meine Frau lehrt mich bis heute: Betten machen, täglich die Unterhose wechseln – vorher habe ich sie ein bis zwei Wochen getragen«, schreibt Tadeusz Sobolewicz, »Sauberkeit muss man halten, das ist sehr wichtig«. Eine Aussage, die über die üblichen Sprüche wie »Ordnung ist das halbe Leben« weit hinausgeht. Der 83-jährige Sobolewicz überlebte die Lager in Auschwitz, Mülsen und Flossenbürg. Am vergangenen Freitag eröffnete in der Bibliothek der Universität eine Ausstellung über ein Zeitzeugenprojekt mit Tadeusz Sobolewicz.

Die Ausstellung ist ein Ergebnis aus dem deutsch-polnischen Projekt, an dem 25 Schüler aus Salzgitter, Poznan und Oswiecim und Bielefeld teilnahmen. In der Uni Bielefeld machte die Privatdozentin Bettina Dausien das Angebot an die Studierenden. Vier Einrichtungen arbeiteten schließlich zusammen: die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim, das Institut für Geschichte der Universität Kraków, die Stätte der Begegnung in Vlotho und eben die Fakultät für Pädagogik.

2004 ging es los: In zwei achttägigen Werkstätten, eine in Oswiecim, dem ehemaligen Auschwitz, und eine in Vlotho. Im Frühjahr 2005 dann traf sich ein Redaktionsteam in Polen, um die Ausstellung zu konzipieren. »Da sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten«, freut sich Luise Orynczak, eine Projektteilnehmerin, die in Bielefeld Pädagogik studiert. Im Zentrum der Werkstätten stand die Begegnung mit Tadeusz Sobolewicz. Es galt, seine Lebensgeschichte zu verstehen und sich mit ihr auseinander zusetzen. Dazu musste Sobolewicz für eine Menge Interviews herhalten. Was der gerne tat. Denn Sobolewicz hat sich vor gut 15 Jahren entschlossen, sein Leben zu erzählen. Denn er ist Opfer und zugleich Zeuge der nationalsozialistischen Verbrechen.


Weiterleben mit dem Widerstandsnamen

Tadeusz Sobolewicz wurde 1923 in Posen geboren – als Wladyslaw Sowizral. Sein heutiger Name stammt noch aus den Zeiten des Widerstands gegen den Faschismus. Mit dem Ausbruch des Krieges war für Sobolewicz die Kindheit vorbei. Er schloss sich einer Widerstandsbewegung an und wurde Meldegänger in einer bewaffneten Kampftruppe. Am 1. September 1941 wurde er verhaftet. Nach mehrwöchigen Verhören wurde er im November 1941 nach Auschwitz transportiert. Dort erlebte er den Tod seines Vaters. Anfang 1943 wurde er nach Buchenwald verbracht. Später war er noch in den Lagern Mülsen und Flossenbürg. 1945 wurde er auf einen sogenannten Todesmarsch geschickt, konnte jedoch fliehen. Die Konzentrationslager überlebte er mit Glück und dank seiner Tätigkeit als Übersetzer.

Nach dem Krieg passte er sich an das neue realsozialistische Polen an. Nach eigenen Angaben war er kein überzeugter Kommunist, wird aber Parteimitglied. 1947 holt er sein Abitur nach und entscheidet sich für die Bühne. Er spielte über hundert dramatische, tragische und komische Rollen, auf der Bühne und in Filmen. Seit seinem Ruhestand widmet er sich verstärkt seiner eigenen Geschichte. Er tritt als Zeitzeuge im Museum Auschwitz auf. Gegenwärtig arbeitet er zugunsten des ›Polnischen Verbands ehemaliger Gefangener von Hitlergefängnissen und Konzentrationslagern‹ in Krakow, wo er seit 1996 lebt.