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Ein Hotel für alle Felle (12.04.2006)





Streitfläche: Der Nachbar (Gebäude im Hintergrund) will keine Tierpension




Von Manfred Horn

Tierpension – das klingt nach ZDF und 19.25 Uhr. Die Wirklichkeit geht sogar über die Lindenstraße hinaus: Da gibt es in Bielefeld einen Verein, der will eine Tierpension eröffnen, damit Waldi und Mausi auch dann gut aufgehoben sind, wenn die Besitzer sich in Marokko die Sonne auf Glatze und Bauch brennen lassen. Da gibt es aber auch Nachbarn, die untersuchen lassen wollen, inwieweit herumlaufende Hunde ihre Kinder traumatisieren. Die also auf jeden Fall die Tierpension verhindern wollen – zumindest in ihrer Nachbarschaft.

Am vergangenen Mittwoch war Ortstermin im Schmetterlingsweg. Dort, am Rand von Oldentrup in einem Industriegebiet, will die Bielefelder Aids-Hilfe die Tierpension errichten. Das 3.500 Quadratmeter große Gelände samt Haus gehört dem Immobilienservice-Betrieb (ISB) der Stadt. Der ISB hat das Haus zum 1. November 2005 an die Aids-Hilfe vermietet.

In der Tierpension sollen Hunde, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, Vögel und Kleintiere aller Art untergebracht werden. Die Tiere sollen rund um die Uhr betreut werden, selbst eine Nachtwache ist vorgesehen. Den größten – und lautesten – Teil der Gäste werden aber wohl die Hunde ausmachen: Ihre Unterbringung ist in Hundehäusern in gefliesten, beheizbaren Räumen artgemäß, nach Verträglichkeit mindestens paarweise, vorgesehen. Wenn es Schwierigkeiten gibt, ist auch eine Einzelunterbringung möglich.

Tiere sind am Schmetterlingsweg aber noch keine. Davon konnten sich am Mittwoch die zahlreich erschienenen Abgeordneten der Bezirksvertretung Heepen überzeugen. Peter Struck, Geschäftsführer der Aids-Hilfe, führte sie über das weitläufige Gelände mit Teich – und musste ganz schön laut sprechen. Denn in unmittelbarer Nähe, nicht einmal einen Steinwurf entfernt, verläuft die Autobahn nach Hannover. Die Aids-Hilfe will in dem Projekt Menschen, die Arbeitslosengeld-II oder die Grundsicherung beziehen beschäftigten und vor allem qualifizieren. In der Maßnahme arbeiten Menschen mit und ohne AIDS zusammen.


Wiedereinstieg in die Arbeitswelt ist ein großes Thema

»Vor zehn Jahren haben wir noch beraten, wie man als HIV-Positiver aus dem Arbeitsmarkt aussteigen kann«, erläutert Struck, »heute überleben die Aids-Patienten länger«. Nun stehen die Potentiale der Erkrankten im Vordergrund. Dem Aids-Hilfe Team war schon lange bekannt, dass viele HIV-Positive Haustiere halten. So entstand die Idee einer Tierpension. Aus einem ersten Qualifizierungsprojekt Ende der 1990er Jahre habe man gelernt: Die Mischung machts.

Voraussetzung ist in jedem Fall der Bezug von ALG-II oder Grundsicherung. Sonst fließt nämlich keine Förderkohle von der Europäischen Union und der Regionalen Personal-Entwicklungsgesellschaft (REGE). So sind sowohl HIV-Positive, Drogenabhängige, die sich substituieren und Langzeitarbeitslose gemeinsam im Projekt. Entstehen sollen zehn Vollzeitarbeitsplätze, die sich 24 Personen teilen.

Diese 24 Menschen eint eine gewisse Tierliebe – sonst wären sie der Aufgabe, die auf sie zukommt, nicht gewachsen. Die Maßnahme begann bereits im vergangenen Sommer. Zunächst standen Büro- und EDV-Arbeiten im Mittelpunkt. Seit November ist die Gruppe im Haus am Schmetterlingsweg aktiv: Ein Schulungsraum mit Computerarbeitsplätzen wurde eingerichtet, ein neuer Fußboden verlegt, insgesamt die Räumlichkeiten provisorisch hergerichtet.





Diskussionen im geplanten Büro: Vertreter des Projekts und der Bezirksvertretung im Gespräch über den Stand der Dinge