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Nationaler Pop (31.05.2006)



Vor allem seit der Wiedervereinigung glauben einige Bands und andere Vertreter der Musikindustrie, dass Pop etwas mit der Nation zu tun haben sollte. Der Musiksoziologe Martin Büsser erklärte beim festival contre le racisme, wie der positive Bezug zur Nation in die Popkultur Einzug gehalten hat und warum der Sampler »I can’t relax in Deutschland« dem etwas entgegensetzen will.



Von Mario A. Sarcletti

Eigentlich waren Pop und Rock immer eher linke Angelegenheiten. Zumindest gilt das für Pop im engeren Sinn. Folgt man der Popdefinition, die der Musiksoziologe Martin Büsser am Dienstag in der Universität präsentierte, gilt das nur begrenzt. »Pop umfasst Musik, die nicht dem akademischen Spektrum zuzuordnen ist«, sagte Büsser bei seinem Vortrag im Rahmen des festivals contre le racisme am Dienstag abend in der Universität. Er erläuterte auch, warum er trotz dieser Definition behauptet, dass diese Musik eher links ist. »Musik war Abgrenzung gegenüber dem Establishment«, sagte Büsser.

Das erste Mal, dass rechte Symbolik in der Musikszene auftauchte, sei in den 70er Jahren gewesen. Allerdings war die Verwendung etwa von Hakenkreuzen durch die Punk-Bewegung ein Spiel mit und die Enwertung von Zeichen. Büsser erzählte, dass aber so mancher dieses Spiel nicht duchschaute. So habe der Spiegel 1978 Punk für die neue Nazibewegung aus England gehalten. Andere Bands wie etwa The Clash stellten aber klar, dass sie links sind. Die Band trat mit RAF-Logo auf. Jounralisten hätten schließlich dem Punk einen linken Überbau verschafft, sagt Büsser, früher selbst Punk. Dass dennoch eine Nähe der Bewegung zu rechten Ideen bestand, zeigte das Punklabel Rock-O-Rama. Bei ihm erschien die berüchtigte Platte »Der nette Mann« von den Böhsen Onkelz, einer Band, die sich von der Punkband zur führenden Rechtsrockband entwickelte. Das war 1984.

Als mit dem Mauerfall das Selbstbewusstsein der Deutschen stieg und die Nation plötzlich wieder en vogue war, drückte sich das auch in der Popmusik aus. Zwar hatte bereits ein Teil der Neuen Deutschen Welle ihr Nationalgefühl entdeckt. So sang Ideal die Zeilen »Keine Heimat, wer schützt uns vor Amerika«. »Aber das muss man auch vor dem Hintergrund der politischen Lage, wie etwa dem NATO-Doppelbeschluss, sehen«, relativierte Martin Büsser aber diesen Text. Nach der Wiedervereinigung kam dann aber »die neue deutsche Härte« auf, Musiker wie Rammstein oder Witt entdeckten für sich faschistsiche Ästhetik, die Videos kammen im Stil eines Films von Leni Riefenstahl daher.


Nicht nur die Junge Freiheit kämpft gegen »Englisches Gedudel«

Zugleich begann die Debatte, ob man Radiosender im Land per Gesetz verpflichten soll, einen bestimmten Anteil deutsche Musik zu spielen. »Da wurde eine Scheindiskussion geführt über Qualität aus Deutschland versus musikalischen Einheitsbrei aus den USA. Dabei läuft im Radio meist Gedudel«, beschrieb Büsser die seltsame Debatte. Enstprechend seltsam waren auch die Töne, die dabei zu hören waren. »Wir dürfen es nicht so weit treiben, dass wir alles, was aus dem eigenen Land kommt, runterdrücken. Es gibt einfach Menschen, die so etwas nicht fühlen und denen musst Du es eben per Gesetz zeigen«, sagte etwa Dieter Thomas Heck dem Musikexpress.