Webwecker Bielefeld: schober01

»Eliten-Antisemitismus in Nazikontinuität« (03.12.2003)



Eliten-Antisemitismus in Nazikontinuität«

Das Buch »Jüdischer Bolschewismus � Mythos und Realität« des Bielefelder Bibliothekars Johannes Rogalla von Bieberstein sorgt an der Universität weiter für Gesprächsstoff. Bundesweit bekannt wurde es als Vorlage für die Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann. Die Antifa-AG und der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität Bielefeld organisierten für den morgigen Donnerstag eine Veranstaltung mit dem Titel »Antisemitismus im »wissenschaftlichen« Gewand � Nicht Mythos sondern Realität« . Bei der wird sich der Soziologe Lutz Hoffmann mit dem Buch auseinandersetzen. Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) wird sich in seinem Vortrag mit der Hohmann-Rede beschäftigen und erläutern, warum Antisemitismus keine Randerscheinung ist. Mit Alfred Schobert sprach Mario A. Sarcletti.

Webwecker: Martin Hohmann verwahrt sich ja dagegen, dass seine Rede antisemitisch sei. Sie haben sich sehr intensiv mit dieser Rede auseinander gesetzt. Was sagen Sie als Wissenschaftler dazu?

Alfred Schobert: Zunächst einmal: Es handelt sich bei Hohmanns Rede um Eliten-Antisemitismus in direkter Nazikontinuität und die Schutzbehauptungen, die Herr Hohmann da aufstellt, gehen an seinem Text vorbei. Im Übrigen ist der Text aber auch so gestaltet, dass es bestimmte Vorkehrungen gibt. Ihm war schon klar, auf welches Terrain er sich da begibt, und er hat da sprachliche Vorkehrungen getroffen, um einerseits eine krass antisemitische Botschaft rüber zu bringen und um andererseits behaupten und eventuell auch Zitate vorweisen zu können, »aber ich habe doch nur gesagt, dass �«. Und es folgt dann: »Ich habe gesagt, die Juden seien kein Tätervolk.« Vorher hat er sie allerdings über ein Viertel seines gesamten Redetextes als bolschewistisches Tätervolk bezeichnet.

Wie funktionieren diese rhetorischen Kniffe, die er anwendet, denn konkret? Haben Sie da denn ein praktisches Beispiel?

Ein Beispiel ist, dass er die Leser beziehungsweise Zuhörer überfällt mit der Überraschung, der Autokönig Henry Ford habe doch 1920 ein Buch publiziert namens »Der internationale Jude«, in dem er die Juden komplett als Bolschewisten dargestellt hat. Es gibt dann ein paar leichte Distanzierungen von Ford, aber dann stellt Hohmann die Frage: »Wie kommt denn Ford zu seinen Thesen?« Und er formuliert dann als Antwort mit dem Zitat eines Juden � wo er dann auch sagt: »Der Jude Felix Teilhaber sagte« - und das Zitat bestätigt dann nur die Ford-These. Im Folgenden entwickelt er dann unendlich viele Beispiele, wo er immer über den Juden spricht, der bei der Ermordung der Zarenfamilie dabei war und etliche andere Beispiele in der Geheimpolizei Stalins und so weiter. Und dann kommt die nette Konjunktivformulierung, daher könnte man die Juden als Tätervolk bezeichnen. Die schwächt er dann ab, er tut das aber natürlich nicht nur. Wie gesagt, bei einem Viertel der gesamten Rede lässt er die Juden als bolschewistisches Tätervolk auftreten. Diese Distanzierungen sind dann, locker gesagt, für die Katz�. Zumal, wenn es sich auch noch um einen mündlichen Vortrag handelt und nicht um einen schriftlichen Text, wo man dann diese grammatischen Einfädelungen auch genauer nachvollziehen könnte.