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Fühlen was nicht ist (Interview Sokol, 09.07.2003)



Am vergangenen Freitag verabschiedete der Landtag in Düsseldorf mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Grüne eine Änderung des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes. In den Medien war davon kaum etwas zu hören, auch auf den offiziellen Internet-Seiten von Landtag, Landesregierung oder Innenministerium finden sich keine Hinweise auf die Novelle. Die Beauftragte des Landes für Datenschutz und Informationsfreiheit, Bettina Sokol, kritisiert die Gesetzesänderung. Mit ihr sprach Mario A. Sarcletti



Frau Sokol, werden sie als Datenschutzbeauftragte denn kontaktiert, wenn so ein neues Polizeigesetz geplant wird?

Bettina Sokol:
Der Gesetzesentwurf ist mir natürlich zugegangen und ich habe sowohl dem Innenministerium als auch dem Landtagsausschuss gegenüber eine Stellungnahme abgegeben.



Wie war diese Stellungnahme bezüglich der Videoüberwachung?

In der Frage der Videoüberwachung habe ich es nicht als überzeugend angesehen, zum jetzigen Zeitpunkt ohne Not die Möglichkeiten des Einsatzes von Videoüberwachungsgeräten für die Polizei zu erleichtern. Wir hatten bislang eine Vorschrift, wonach das bloße Beobachten nur dann erlaubt war, wenn es um Straftaten von »erheblicher Bedeutung« ging, die an bestimmten Orten gehäuft vorkamen und auch Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass an diesen Orten weiterhin solche Straftaten begangen würden. Dies ist nun anders, es reichen normale, schlichte Straftaten. Es ist zwar so, dass Kameras nach wie vor an so genannten Kriminalitätsschwerpunkten oder auch Orten, deren Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt, eingesetzt werden. Aber es sind jetzt wie gesagt nur noch Straftaten einfacher Natur erforderlich um eine Videokamera anbringen zu können, die dann − eine weitere Verschärfung – das Geschehen auch aufzeichnen kann. Dies habe ich erst recht als nicht erforderlich erachtet. Denn eine Videokamera soll ja nach dem Sinn und Zweck des polizeilichen Einsatzes der Gefahrenabwehr dienen, das heißt, es ist notwendig, dass immer eine Person am Monitor sitzt und gegebenenfalls sofort eingreifen kann. Eine Aufzeichnung dient allein Strafverfolgungszwecken und ist in der Strafprozessordnung bereits geregelt.



Nun sagt Innenminister Behrens, die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes dient der Verhütung von Straftaten. Entspricht das denn der Realität?

Das ist höchst umstritten. Es gibt in England, wo man ja die größte Erfahrung mit Videoüberwachung hat, höchst unterschiedliche Studien über Sinnhaftigkeit, Nutzen und Effekte der Videoüberwachung. Das muss sicherlich sehr konkret orts- und deliktspezifisch beurteilt werden. In aller Regel ist aber zu befürchten, dass es häufig um bloße Verdrängungseffekte geht.

Welche Probleme bringt denn die Videoüberwachung für den Bürger mit sich?

Die Videoüberwachung bezieht alle Personen mit ein, die sich im Blickfeld der Kamera befinden. Aber zunächst einmal haben alle Bürgerinnen und Bürger das auch grundrechtlich abgesicherte Recht sich frei und unbehelligt durch staatliche Stellen zu bewegen. Darin wird eingegriffen und deshalb bedarf es ja auch einer gesetzlichen Grundlage für den Einsatz der Kameras.