Webwecker Bielefeld: kreutz01

Systemwechsel nur mit der SPD möglich (Interview mit Daniel Kreutz, 05.02.2003)



Armut
Das Vermögen fließt zu denen, die sowieso schon viel Geld haben. Zugleich nimmt die Armut zu. In den Kleiderkammern können die Armen dann die ›Brocken‹ der Reichen einsammeln





Daniel Kreutz fordert eine Revitalisierung des Verfassungsgrundsatzes von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Er sagt: Seit mehr als einem Jahrzehnt werden die sozialen Sicherungssysteme der privaten Reichtumsförderung tributpflichtig gemacht. Er spricht sich für eine Verteilungspolitik von oben nach unten aus. Dafür jedoch sei die Parteienlandschaft nicht zu gebrauchen. Stattdessen setzt er auf die Zivilgesellschaft. Daniel Kreutz, ehemaliger Sprecher der grünen Landtagsfraktion NRW für Arbeit, Gesundheit und Soziales im WebWecker-Interview. Er ist am Donnerstag, 6. Februar im IBZ zu Gast (siehe Info am Ende des Interviews).




Interview: Manfred Horn

Kann Politik überhaupt wesentlichen Einfluss auf die Zahl der Arbeitslosen nehmen? Ist die Entscheidung, jemanden einzustellen, nicht vielmehr eine Entscheidung der Wirtschaft?

Natürlich ist es eine Entscheidung der Wirtschaft, aber Politik kann durch die Rahmensetzungen für das Wirtschaften und für die Art und Weise, wie Erwerbsarbeit in der Gesellschaft organisiert sein soll, wesentliches zur Beschäftigungslage beitragen: Erstens über Weichenstellungen zur Umverteilung von Erwerbsarbeit auf dem Wege rascher Arbeitszeitverkürzungen. Zweitens durch den Wiederaufbau und -Ausbau öffentlicher Infrastrukturen, insbesondere im sozialen Bereich. Und drittens durch die Mobilisierung der Beschäftigungschancen, die mit dem ökologischen Strukturwandel verbunden sind.


Aber Arbeitszeitverkürzung ist nicht gerade ein aktuelles Thema.

Es ist ein Thema, das im Zuge der Eroberung der öffentlichen Meinungsführerschaft durch die Interessenvertreter des großen Geldes von der Tagesordnung weitgehend verdrängt worden ist. Ich kann aber in jüngerer Zeit sehen, dass in manchen Untergliederungen der Gewerkschaften die Diskussion wieder an Fahrt gewinnt, weil die neoliberalen Konzepte zur Bewältigung der Arbeitsmarktkrise längst erkennbar gescheitert sind.


Ihr zweiter Punkt, der Wiederaufbau öffentlicher Infrastruktur, ist ja letztlich eine Kostenfrage. Wo soll denn das Geld dafür herkommen?

Pointiert formuliert geht es um eine Revitalisierung des Verfassungsgrundsatzes von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Seit mehr als einem Jahrzehnt werden die sozialen Sicherungssysteme der privaten Reichtumsförderung tributpflichtig gemacht und die Verteilungsungerechtigkeit nimmt zu. Die Kapitalseite wird durch Senkung von Steuern und Abgaben bedient, während die sozialen Sicherungsleistungen für diejenigen, die darauf angewiesen sind, sukzessive abgebaut werden. Man müsste entsprechend der wirtschaftlichen Belastbarkeit von Unternehmen und Vermögenden das private Eigentum der Sozialpflichtigkeit wieder zuführen.


Die Seite der Arbeitgeber stellt die Situation ganz anders dar. Sie sagt von sich selbst, sie würde zu stark belastet.

Das ist nicht verwunderlich. Solche Botschaften beherrschen die Szene solange, wie die neoliberalen Gesellschaftsutopien des Arbeitgeberlagers noch nicht verwirklicht sind. Dahinter steht der Versuch, die rot-grüne Politik des wettbewerbsstaatlichen Systemwechsels durch Druck von Seiten der Kapitalakteure weiter zu radikalisieren und zu beschleunigen.