Webwecker Bielefeld: nichtarbeit01

Tag der Nicht-Arbeit (05.05.2004)





Stoff des Anstoßes: Das Seitentransparent der Demonstranten



Zum Tag der Arbeit demonstrierte in Bielefeld nicht nur der DGB. Linke Gruppen zogen bereits am Tag davor durch die Bielefelder Innenstadt. Deren Motto »Die Arbeit nieder« folgten die Polizeibeamten, die den Zug begleiteten, nicht.

Von Mario A. Sarcletti

Für Rudi Klamann von der PDS, den Anmelder der antikapitalistischen Demonstration linker Gruppen zum Tag der Arbeit am 30. April, begann der vergangene Freitag mit einem Besuch vom Bielefelder Staatsschutz. Dirk Butenuth, Chef der Bielefelder Statsschützer, klingelte um 8 Uhr an seiner Haustür und erklärte ihm, so Klamann, dass die Polizei die Auflagen für die Demonstration konsequent durchsetzen werde.

Die hatte am gleichen Morgen das Verwaltungsgericht Minden bestätigt. Damit waren auf der Demonstration unter dem Motto »Die Arbeit nieder - Kapitalismus abschaffen« Seitentransparente verboten, andere Transparente durften nicht größer als drei Meter sein. Nach Meinung des Gerichts »stellt das Benutzen der Transparente als Sichtschutz letztlich eine Umgehung des Vermummungsverbots« dar. Als Begründung nannte das Gericht auch eine »ähnliche Auflage« für eine Demonstration in Bünde eine Woche zuvor (WebWecker berichtete). »Bei dieser Veranstaltung kam es weder zu Straftaten noch zu Ordnungswidrigkeiten aus dem Demonstrationszug heraus«, urteilte das Verwaltungsgericht.

Die Angst vor Straftaten war der Grund der polizeilichen Verfügung. In der Vergangenheit seine »bei Demonstrationen des linken Spektrums aus dem Schutz umlaufender Transparente heraus Straftaten begangen worden«, heißt es in dem Schreiben an Klamann. Das Verwaltungsgericht sah »eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit« auch aufgrund von »Aussagen auf einer Internet-Seite der autonomen Szene«. Tatsächlich war bei indymedia der anonyme Eintrag »gebt dem Staatsschutz die Straße zurück – Stein für Stein« zu lesen.

Der Argumentation des Gerichts wollten die etwa 150 Demonstranten nicht folgen: Nachdem die Demonstration ungehindert durch die Bahnhofstraße gezogen war, waren sie auf dem Jahnplatz plötzlich da, die verbotenen Seitentransparente. »Ich seh das Verbot nicht ein«, erklärte Klamann die Aktion, »das ist ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit«. Ihn ärgert vor allem wie das Verbot zustande kam. »Wenn die Richterin das mit Bünde begründet, ist das ein schlechter Witz. Weil vor der Demo dort hatte mir die Bielefelder Polizei gesagt, dass die Polizeistrategie hier von Bünde abhängt«, schimpft Klamann.

Die Polizeistrategie war klar: Seitentransparente sollten auf alle Fälle verhindert werden. Deshalb blockierte die Polizei den Demonstrationszug in der Niedernstraße mit zwei Bullis. Als die Spitze des Zuges seitlich an ihnen vorbei wollte, setzte es Schläge, knapp ein Dutzend Demonstranten bekamen Pfefferspray ins Gesicht. Ein Fotograf, der die Szene mit seiner Kamera festhielt, wurde von Polizeibeamten durch die Niedernstraße gejagt. Dabei kam ein unbeteiligter Passant zu Sturz und verletzt sich leicht. Dem Fotografen gelang es letztendlich zu entkommen.

Nachdem die Seitentransparente wieder eingepackt waren, durfte die lautstarke, aber nach dem Zwischenfall geschrumpfte Demonstration weiterziehen, ab sofort aber von behelmten Beamten begleitet. In Sprechchören forderten die Antikapitalisten nicht weniger als die Revolution, Solidarität mit »Florida Rolf« und Alles für Alle – und zwar umsonst.