Webwecker Bielefeld: unibibneu01

Wachsamere Uni-Bibliothek (19.01.2005)





»Literatur, die auf dem Index steht, muss separiert werden«. Norbert Lossau über den schwierigen Umgang mit wissenschaftlicher Gebrauchsliteratur




Vor gut einem Jahr deckte der WebWecker skandalöse Zustände in der Bielefelder Universitätsbibliothek auf: Der Anteil rechtsextremer Literatur war auffällig hoch, in den Regalen standen sogar indizierte Werke. Zudem war die Systematik im Bereich »Ethnische Minderheiten« im Fachbereich Soziologie fragwürdig: So waren die Erinnerungen der Sintezza Anna Mettbach an Auschwitz unter »Zi« einsortiert, ein Schild erklärte, dass das Kürzel für »Zigeuner« steht. Folgerichtig fanden sich Bücher über Afroamerikaner unter »Ne« wie »Neger«. Vom WebWecker alarmiert versprach Rektor Dieter Timmermann eine rasche Beseitigung der Missstände. Jetzt sprach Mario A. Sarcletti mit dem Direktor der Universitätsbibliothek, Norbert Lossau, über die Konsequenzen, die der Skandal nach sich zog.




WebWecker: Herr Lossau, jetzt sind ja einige Bücher aus der Bib verschwunden beziehungsweise nicht mehr so leicht zugänglich wie bisher. Wie ist die Bibliothek da vorgegangen?

Norbert Lossau: Man muss sehen, dass wir hier einen Bestand von insgesamt zwei Millionen Büchern haben. Das ist etwas anderes als eine Stadtbibliothek, wo man solche Bücher relativ schnell rausgreifen kann. Wir haben uns jetzt bemüht, die Literatur, die zurecht als kritisch angesehen wird, erst mal zu definieren und zu identifizieren. Hilfreich ist dabei die Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften gewesen. Die haben wir uns vorgenommen und abgeprüft auf den Bestand, den wir hier in der Bibliothek haben. Wir haben dann festgestellt, dass wir sechzehn Titel im Katalog haben, die auf der Liste stehen. Acht davon waren allerdings nicht mehr aufgetaucht, wahrscheinlich gestohlen, die anderen acht stehen jetzt im Sonderlesesaal und sind nicht mehr weiter zugänglich.


Wie kann das denn passieren, dass Bücher vom Index in der Bibliothek herumstehen?

Das ist grundsätzlich das Problem für wissenschaftliche Bibliotheken. Die Definition dessen, was für Wissenschaftler interessant ist, zum Beispiel als Quellenmaterial, und was in einer Stadtbibliothek auf keinen Fall rumstehen dürfte, ist nicht immer einfach. In der Regel werden die Bestellwünsche bei uns von den Fakultäten aufgegeben. Wenn also ein Wissenschaftler ein Forschungsprojekt hat und solche Literatur benötigt, dann wird die auch beschafft. Es sollte dann aber die UB prüfen - und genau das haben wir jetzt in die Wege geleitet -, dass Literatur, die auf dem Index steht, nicht im normalen Bestand steht. Dann muss sie separiert werden und es besondere Benutzungsmodalitäten geben. Aber dass wir grundsätzlich solche Literatur haben, das ist jetzt auch noch mal im Rektorat diskutiert worden: Wir sind eine wissenschaftliche Gebrauchsbibliothek.


Es geht aber nicht nur um Bücher, die auf dem Index stehen. Aus dem rechten Grabert-Verlag waren vor einem Jahr noch 49 Bücher im Katalog, jetzt sind es nur noch 42. Hat man sich diese Bücher auch angeschaut?

Die Bücher, die beschafft werden, werden natürlich angeguckt und wurden jetzt alle noch einmal angeguckt und es wurde überprüft, ob es da, wo sie stehen, also einfach frei zugänglich, sinnvoll ist. Wir haben in enger Zusammenarbeit mit dem Justitiariat eine Liste von Kriterien bekommen, also ein Merkblatt zur Definition strafrechtlich relevanter Literatur. Darunter fallen durchaus einige Titel, die sie gerade genannt haben. Die werden dann separiert. Das heißt, dass sie im Zentralmagazin landen, im Sonderlesesaal oder in den Dunkelräumen der jeweiligen Fakultät.