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Biertrinken mit Emil (16.11.2005)



Von Manfred Horn

In der Sitzung der Bezirksvertretung Mitte am 10. November 2005 wurde eine Informationsvorlage der Verwaltung zur Umwidmung des Emil Gross-Platzes wegen Dringlichkeit in eine Beschlußvorlage umgewandelt. Damit soll Andreas Stahlberg, einem stadtbekannten Multi-Gastronomen, der unter anderem die Gastronomie am Schlosshof betreibt, ermöglicht werden, im SPD eigenen Presse-Haus an dem Platz eine Kneipe samt Außengastronomie zu eröffnen.

Dieser Platz wurde 1995 im Rahmen des Programms für Wohnumfeldverbesserung mit erheblichem finanziellen Aufwand aus öffentlichen Mitteln umgestaltet. 2002 wurde auf ihm das Kunstwerk ›Der Seher‹ von Rainer Hagl, gestiftet von Frau Elfriede Eilers, aufgestellt. Die Skulptur bezieht sich auf die Verdienste des SPD-Mitglieds Emil Gross während der Nazi-Diktatur.

Emil Gross war Herausgeber der ›Freien Presse‹, die der SPD nahestand. Sie wurde 1933 verboten. Trotzdem erschien die Zeitung, im Ausland gedruckt, während der Nazidiktatur mit einigen Ausgaben.

Nun aber sollen nicht nur rund 200 Sitzplätze in der Innengastronomie, sondern auch draußen auf dem Platz rund 80 Sitzplätze an Tischen sowie über 100 weitere auf einer niedrigen Umfassungsmauer mit Holzauflage entstehen. Die grüne Rasenfläche soll durch Feinsplitt ersetzt werden. Im Boden eingelassene Strahler sollen den Platz nachts indirekt beleuchten. Die direkte Umgebung des Kunstwerks ›Der Seher‹ werde auf diese Art massiv verändert, empört sich die ›Bürgernähe‹. Damit würden auch die Urheberrechte des Künstlers verletzt.

Die entstehenden Licht- und Lärm-Beeinträchtigungen sowie verstärkte Pkw-Bewegungen, unter der die Anwohner zu leiden könnten, seien noch gar nicht abzusehen, teilt die Bürgernähe mit. Für die Partei im Rat und in der Bezirksvertretung Mitte ist ein Wertverlust des um den Platz liegenden Hauseigentums aber heute schon abzusehen. Erste Mieter seien schon mit dem Hinweis auf die künftig steigende Lärmbelästigung ausgezogen.

Das Gegenargument, die nahe Bahnlinie sorge für eine so hohe Lärmbelästigung, dass die Schallentwicklung einer spätabendlichen Gastronomie nicht mehr ins Gewicht falle, zweifelt die Bürgernähe an. Auch teilt sie nicht die Einschätzung der Verwaltung, das angestrebte Nutzungskonzept führe zu einer Aufwertung des Platzes, die »Zweckbindung des Platzes« werde nicht in Frage gestellt. Für die Bürgernähe ein Zynismus in Reinform. Sie stimmte dem Beschluß genauso wie die Linkspartei nicht zu. Der Beirat für Stadtgestaltung hingegen will zwar noch Details wie die genaue Zahl der Sitzmöglichkeiten geklärt wissen und sucht noch das Einverständnis mit Rainer Hagl, der die Skulptur schuf, ist aber grundsätzlich bereit, der Umgestaltung zuzustimmen.



Nicht alles, was geht, ist auch gut


Ein Kommentar von Manfred Horn

Stadtentwicklung ist in Bielefeld schon immer ein schwieriges Thema. Einerseits sind da kommerzielle Interessen, Unternehmer, die an möglichst guten Standorten mit guter Infrastruktur ein Geschäft eröffnen möchten. Da förderte die Politik Großinvestitionen wie das Amerikahaus und den Neumarkt, produziert jahrelangen Leerstand – und will heute dort doch keinen großflächigen Einzelhandel. Ähnliches im neuen Viertel hinter dem Bahnhof: Auch dort plante Anfang des Jahrtausends der damalige Investor einen Wal-Mart, der dann zum Glück nie kam. Die Gastronomie an dem neuen Standort kam nur schwer in die Gänge, scheint aber inzwischen einigermaßen zu laufen. Der Klosterplatz hingegen ist im Abschwung, dort fehlen vor allem Genehmigungen, Außengastronomie über 22 Uhr hinaus zubetreiben. Ein einheitliches Bild ergibt das alles nicht.